Analyse: Vor- und Nachteile virtueller Teams für Führungskräfte, Mitarbeiter und Unternehmen

Der Aufbau wie auch die Entwicklung und erfolgreiche Leitung von Teams stellen stets eine Herausforderung für Führungskräfte dar. Handelt es sich bei dem Team jedoch um ein virtuelles, dezentrales Team, so gilt dies in besonderem Maße. Der Führungsprozess ist in räumlich verteilten Teams komplexer und anspruchsvoller.Im Vergleich zu stationären Teams, die primär an einem gemeinsamen Ort tätig sind, bietet die Arbeit in virtuellen Teams sowohl Vor- als auch Nachteile. Für Führungskräfte ist es wichtig, sich diese zu vergegenwärtigen, um angemessen damit umgehen und das Potenzial dieser Arbeitsform maximal ausschöpfen zu können.

Drei Gruppen von Beteiligten sehen sich in dezentralen Teams mit teilweise ähnlichen, teilweise unterschiedlichen Chancen und Herausforderungen konfrontiert: erstens die Unternehmen bzw. Organisationen, die virtuelle Teams einsetzen, zweitens die einzelnen Teammitglieder und last but not least diejenigen, denen die Leitung dieser Teams obliegt.

1. Unternehmen bzw. Organisationen

Für sie bieten virtuelle Teams potenziell zahlreiche Vorteile, die ein entscheidender Grund dafür sind, dass die Zahl solchen Teams international weiter wächst:

  • Flexibilität: Unternehmen können virtuelle Teams bei Bedarf vergleichsweise kurzfristig bilden, umstrukturieren oder auch wieder auflösen. Die gleichen Mitarbeiter können dabei nach Bedarf auch parallel verschiedenen Teams zugeordnet oder mit externen Beratern, Dienstleistern etc. in Teams kombiniert werden. Abhängig von der jeweiligen Aufgabe können dezentrale Teams sehr unterschiedlich groß sein, auch die Intensität und Dauer der Zusammenarbeit kann flexibel gesteuert werden.
  • Zugriff auf Wissen und Ressourcen: Gibt es keine geografischen Beschränkungen, so hat ein Unternehmen bzw. eine Organisation potenziell Zugriff auf wesentlich mehr und qualitativ bessere personelle Ressourcen. Ist ein Experte für ein bestimmtes Thema nur in einem anderen Land verfügbar, so kann er dennoch Teil eines Teams werden.
  • Globale Präsenz: Für Firmen, die in unterschiedlichen Märkten aktiv sind oder werden wollen, bieten virtuelle Teams eine gute Möglichkeit, auf Know-how über ganz unterschiedliche Märkte zuzugreifen ohne dort eine physische Niederlassung aufzubauen.
  • Erhöhte Effektivität und Produktivität: Aufgrund der o.g. Vorteile kann ein dezentrales Team im Idealfall effektiver und ist produktiver als ein klassisches Team. Wird die Arbeit in einem globalen Team über verschiedene Kontinente und Zeitzonen verteilt, so ist es möglich, innerhalb eines Unternehmens 24 Stunden am Tag an einem Projekt zu arbeiten.
  • Kostenersparnis: Da sich virtuelle Teams in der Regel online treffen, entfallen – sieht man von den dennoch empfohlenen Präsenztreffen zu bestimmten Anlässen ab – Reisekosten. Zudem werden in vielen Fällen auch Bürokosten gespart, wenn Teammitglieder von zu Hause aus tätig sind.
Dem stehen allerdings auch einige Nachteile bzw. mögliche Problemquellen gegenüber:
  • Die eingeschränkte Kommunikation führt in vielen Fällen zu Reibungsverlusten: Virtuelle Teams kommunizieren primär über unterschiedliche elektronischen Kommunikationsmedien wie eMail, Chat und Telefon. Alle diese Medien haben aufgrund ihrer technischen Eigenschaften eine gewisse Filterfunktion, insbesondere nonverbale Informationen gehen dabei verloren oder können – etwa beim Videochat – nur begrenzt wahrgenommen werden. Dies erhöht die Gefahr für Missverständnisse, die zudem in internationalen Teams wächst, wenn ein Teil der Teammitglieder die Arbeitssprache möglicherweise nicht perfekt beherrscht. Zudem bietet sich für räumlich verteilte Teams in der Regel weniger Gelegenheit für spontane, informelle Kommunikation.
  • Probleme und Konflikte treten weniger sichtbar auf, und einmal erkannt, sind Konflikte auf Distanz auch schwieriger zu lösen.
  • Über den Globus verteilte Teams sind oftmals zugleich interkulturelle Teams. Dies stellt eine zusätzliche Herausforderung dar, die unabhängig von der räumlichen Dimension existiert und sich mit dieser überlagern kann. Die höhere Heterogenität der Teammitglieder ist eine Bereicherung des Teams und oftmals sogar mit ein Grund für seine Entstehung – etwa wenn verschiedene Märkte abgedeckt oder Entwicklungsressourcen in Asien genutzt werden sollen. Wichtig ist jedoch, dass in Bezug auf die gemeinsam verfolgten Ziele Einigkeit besteht bzw. aktiv hergestellt und somit auf diesem Feld Homogenität erreicht wird, damit das Team inhaltlich an einem Strang zieht.
  • In der Folge ist die Produktivität virtueller Teams oft deutlich geringer als möglich.

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2. Teammitglieder

Ergibt sich für einen Mitarbeiter die Möglichkeit oder auch Notwendigkeit, in einem virtuellen Team zu arbeiten, so sind damit oft diese Vorteile verbunden:
  • Erhöhte Flexibilität: Die Arbeitszeiten sind in einem virtuellen Team häufig weniger starr vorgegeben, so dass Teammitglieder sich ihre Arbeit flexibler einteilen können. Dies kann auch die Vereinbarkeit von Familie und Beruf verbessern.
  • Zeitersparnis: In vielen Fällen geht die Arbeit in dezentralen Teams auch mit einer teilweisen oder ausschließlichen Tätigkeit im Home Office einher, so dass ggf. Fahrten zu einem Arbeitsplatz entfallen. Werden internationale Meetings virtuell abgehalten, so sparen die Teilnehmer längere Anreisen inkl. evtl. Flugzeiten und Hotelaufenthalte.
  • Mitwirkung an spannenden Projekten: Genauso wie Unternehmen über virtuelle Teams Zugriff auf potenziell mehr und qualifiziertere Mitarbeiter haben, so stehen auch für diese (künftigen) Mitarbeiter potenziell mehr spannende Projekte offen.
  • Virtuelle Teams bieten für die Beteiligten die Chance, sich fachlich weiterzuentwickeln. Zudem können sich bessere Verdienstmöglichkeiten ergeben.
Allerdings sehen sich die Teammitglieder häufig auch mit Nachteilen dieser Arbeitsform konfrontiert:
  • Die oben bereits erwähnte eingeschränkte Kommunikation sowie unzureichende Informationen können zu Missverständnissen, Enttäuschungen und Frustrationen führen.
  • Die Unterstützung durch Kollegen ist meist weniger stark ausgeprägt; generell sind die zwischenmenschlichen Kontakte in virtuellen Teams geringer bis hin zur Gefahr einer gewissen Isolation.
  • Selbststeuerung und Selbstmotivation sind sehr wichtig. Zählen diese Schlüsselqualifikationen ebenso wie eigenverantwortliches Handeln und strukturiertes Arbeiten nicht ohnehin zu den Stärken eines Mitarbeiters, so kann dies bei Arbeit auf Distanz weniger gut kompensiert werden.
  • Medienkompetenz ist zentral für die erfolgreiche Mitwirkung in dezentralen Teams. Etwaige Schwächen in diesem Bereich gehen zu Lasten der Arbeitszufriedenheit wie oft auch der Leistung.
  • Sind Teammitglieder über verschiedene Zeitzonen verteilt, so besteht die Gefahr, dass Kommunikation rund um die Uhr stattfindet, eine umfassende Erreichbarkeit erwartet wird und die Abgrenzung schwieriger fällt als bei einheitlichen Arbeitszeiten.

3. Führungskräfte

Für Führungskräfte ist die Führung auf Distanz durchaus mit Vorteilen verbunden. Hervorheben ist dabei u.a.:
  • Besondere Verantwortung: Der Teamleiter eines virtuellen Teams ist in vielen Fällen das wichtigste Bindeglied zwischen Zentrale und räumlich verteilten Mitarbeitern.
  • Fachliche Herausforderung: Die Führung virtueller Teams zählt zu den Königsdisziplinen der Mitarbeiterführung. Der gesamte Führungsprozess wird vielschichtiger und abwechslungsreicher.
  • Arbeit mit den Besten: Ein virtuelles Team ist in der Regel nach fachlichen Kriterien zusammengestellt, daher sind die Teammitglieder in ihrem speziellen Bereich häufig besonders kompetent.
  • Eine virtuelle Teamstruktur kommt einer ziel- und ergebnisorientierte Führung entgegen.
  • Zusätzliche Aufgaben: Neben klassischen Führungsaufgaben ergeben sich für den Leiter eines dezentralen Teams neue Aufgabenfelder. So kann es zu seiner Rolle gehören, ein Meeting-Tool oder eine Groupware für das Team auszuwählen, er muss sich je nach Situation für den am besten geeigneten Kommunikationskanal entscheiden und wird zu bestimmten Anlässen evtl. auch gezielt Präsenztreffen für das Team planen (bes. auch Kickoff).
Dem stehen diese Nachteile gegenüber:
  • Höheres Maß an Unsicherheit: Es ist für Entscheidungsträger schwieriger, stets alle relevanten Informationen im Zugriff zu haben. Zudem wird die Verbindlichkeit von Absprachen über Distanz teilweise als geringer empfunden als in einem stationären Team.
  • Mangelnde Transparenz: Die Überprüfung von Leistungen ist schwieriger, Inkompetenz oder Untätigkeit von Mitarbeitern sind weniger leicht zu erkennen.
  • Der Aufbau von Vertrauen, Teambuilding, die Vermittlung einheitlicher Ziele sowie das Etabilieren von klaren Regeln und Prozessen bedürfen besonderer Anstrengungen und sind weniger leicht zu realisieren als bei einem Team vor Ort. Konflikte rechtzeitig zu erkennen und zu lösen ist ebenfalls in virtuellen Teams eine größere Herausforderung.

Fazit: Leitet eine Führungskraft ein virtuelles Team, so ist es für ihre erfolgreiche Arbeit sehr wichtig, sich diese Fakten vor Augen zu führen und zu reflektieren, was in welchem Ausmaß auf ihr eigenes Team zutrifft. Sind konkrete Probleme bzw. Entwicklungsfelder erkannt, so kann sie damit angemessen umgehen und ihrer Rolle bestmöglich erfüllen.

Ein Coaching bietet eine gute Gelegenheit und den geeigneten Rahmen, um die konkrete Situation in einem virtuellen Team in Ruhe zu analysiert. Dabei können gezielt die Themen und Bereiche herausgearbeitet werden, in denen es mehr oder weniger hörbar „knirscht“ oder zumindest ein signifikantes Wachstumspotenzial vorhanden ist. Im Coaching können auf dieser Grundlage gemeinsam mit der Teamleitung Lösungen erarbeitet werden, die die virtuelle Zusammenarbeit nachhaltig verbessern und es dem Teamleiter bzw. der -leiterin gestatten, sein dezentrales Team mindestens genauso erfolgreich zu führen wie ein Team vor Ort. So wird das Potenzial des virtuellen Teams möglichst gut genutzt – und die Führung des Teams wird zu einer gleichermaßen befriedigenden wie auch erfolgreich bewältigten Aufgabe, an der die Führungskraft wächst.