Wie wichtig es ist, eine eigene berufliche Identität zu entwickeln
Rückblickend zeigt sich dann häufig, dass man, wenn man sich für den elterlichen Beruf entscheidet, eine Medaille mit zwei Seiten übernimmt: die eine schimmert hell und weist darauf hin, dass manches leichter werden wird, doch dann gibt es da auch die dunklere Kehrseite, in der vieles fest geprägt erscheint – was bei einer echten Münze oder Medaille ja auch der Fall ist.
Kehren wir zurück zu der Formulierung „in den Fußstapfen der Eltern“. Dieses Bild ist in der Tat hilfreich, um sowohl die Vor- als auch die Nachteile zu veranschaulichen, die damit verbunden sind, wenn man sich für den Job entscheidet, den man von seinem Vater, seiner Mutter oder vielleicht auch Tante, Onkel oder weiteren nahen Verwandten gut zu kennen glaubt.
Aus dieser Fußstapfen-Metapher lässt sich so einiges ableiten:
1. Die Spuren sind schon da, dadurch ist es ggf. einfacher, diesen Weg zu gehen.
Im positiven Fall hat man als Kind und Jugendliche(r) über viele Jahre den beruflichen Werdegang der Eltern beobachtet, daher ist einem dieser Beruf schon vertraut und das Risiko, komplett falsche Vorstellungen davon zu haben, ist vergleichsweise gering. Man hat einen Informationsvorsprung, kennt also die positiven, aber auch die negativen Aspekte dieses Berufs, hat über die Jahre unzählige Gespräche darüber mitgehört, vielleicht schon einmal bei Vater oder Mutter gejobbt – und verfügt daher möglicherweise sogar über allererstes Fachwissen. Dies kann den Einstieg erleichtern.
Darüber hinaus haben die eigenen Eltern womöglich ein gewisses berufliches Netzwerk, können zu Beginn für Praktika oder sogar konkrete Stellen Kontakte vermitteln und ihr Kind in den ersten Berufsjahren als Mentorin oder Mentor unterstützen. Haben die Eltern einen eigenen Betrieb, ist denkbar, dass Sohn oder Tochter nicht nur denselben Beruf ergreift, sondern auch im Familienbetrieb arbeiten und ihn später ggf. übernehmen kann, so dass er – wie möglicherweise schon über eine oder mehrere weitere Generationen vor – „in der Familie“ bleibt.
Nicht zu unterschätzen ist darüber hinaus, dass Sohn oder Tochter – hoffentlich zumindest – bereits früh eine echte Begeisterung für diesen (oder eben auch EINEN) Beruf erlebt hat und für sich weiß, dass (diese) Arbeit durchaus auch Freude machen kann.
Aber das Bild mit den Fußstapfen der Eltern weist nicht nur auf die Chancen hin, sondern gibt bei näherer Betrachtung auch Hinweise auf die Risiken …
2. Die elterlichen Fußstapfen führen in eine bestimmte Richtung.
Dieser Aspekt ist zumindest ambivalent. Ganz wichtig ist daher, sich als Sohn oder Tochter zu fragen: Was sind meine persönlichen Ziele? In welche Richtung möchte ich langfristig gehen? Was ist mir wichtig? Um dann ehrlich zu prüfen: Passt der vorgezeichnete Weg hierzu? Stellt man an dieser Stelle fest, dass sich die Richtung, die man aus freien Stücken wählen würde, weitgehend mit derjenigen deckt, für die sich Vater oder Mutter entschieden haben: Glückwunsch!
Wird einem aber klar, dass es hier schon einen deutlichen Unterschied gibt – und dies sehe ich häufig bei meinen Klientinnen und Klienten – dann ist es erstens wichtig, dies nicht zu ignorieren, und zweitens zu schauen, was die Konsequenzen sind. Manchmal ist es z.B. durchaus sinnvoll, die ersten Schritte analog zu den Eltern zu gehen, sich dann aber (bildlich gesprochen) für eine andere Abbiegung zu entscheiden. Um ein Beispiel zu bringen: Die Tochter studiert genau wie der Vater Medizin, ihr Lebenstraum ist dann aber vielleicht nicht, als renommierte Ärztin eine gefragte Praxis zu haben, sondern sie nutzt ihr erworbenes Wissen, um ein Medizin-Startup zu gründen, Karriere in der Industrie zu machen oder als Fachjournalistin über medizinische Themen zu schreiben. An einem Punkt in ihrem Berufsleben steht sie dann also an einer Weggabelung und entscheidet sich für eine andere Option, geht ihren eigenen Weg. Manchmal passiert dies „fast von selbst“, in anderen Fällen erleben meine Klientinnen und Klienten hier zunächst Zweifel, innere Konflikte oder auch Auseinandersetzungen mit den Menschen, in deren Fußstapfen sie bisher gegangen sind und die diese Entscheidung zunächst nicht nachvollziehen können.
Spätestens dann ist es oftmals eine gute Idee, sich Unterstützung von außen zu holen, um diese Konflikte zu überwinden und überzeugt den Weg einschlagen zu können, der zu einem persönlich, den eigenen Stärken und Fähigkeiten, aber auch der eigenen Persönlichkeit und dem passt, was einem selbst wichtig ist.
Entscheidend ist dabei, sich über seine EIGENEN MOTIVE klar zu werden und sich zu überlegen, welche ASPEKTE des Erbes, der elterlichen Erfahrung man annehmen und weiterentwickeln möchte. Häufig stellt man fest: Es geht nicht um eine 100%ige Übernahme, und es gibt viel mehr Möglichkeiten als „ganz oder gar nicht“: Vielleicht möchte man nur bestimmte Aspekte des elterlichen Weges für den eigenen übernehmen. Das kann z.B. die Arbeit mit Menschen sein, eine kreative Tätigkeit, das Interesse für naturwissenschaftliche Zusammenhänge oder die Begeisterung für internationale Jobs, bei denen man eine Zeit im Ausland verbringen kann. So folgt man auch ein wenig der elterlichen Prägung, aber vielleicht auf eine ganz andere Art und Weise …
Ein weiterer wichtiger Aspekt in diesem Zusammenhang ist folgender: Bei einer frühen Festlegung auf den elterlichen Beruf werden evtl. andere Optionen gar nicht erst betrachtet, sie rücken dann manchmal erst Jahre oder Jahrzehnte später in den Fokus. Hinzu kommt: Der Weg rein in den mütterlichen oder väterlichen Job oder gar die elterliche Firma kann leichter sein, der Weg raus aber dafür ist meist umso schwerer. Hier spielt fast immer die emotionale Komponente eine große Rolle: angefangen bei der Sorge, die geliebten Eltern zu enttäuschen oder zu verletzen bis hin zur Angst, Verrat an der Familientradition zu betreiben. Dabei ist wichtig, sich klarzumachen, dass eine Wahl, die sich für die Eltern bewährt hat, für Tochter oder Sohn nicht unbedingt richtig sein muss. Vielleicht passt sie nicht mehr – oder sie hat tatsächlich noch nie wirklich gut gepasst. Möglich ist, dass der älteren Generation(zunächst) das Verständnis fehlt, wenn das eigene Kind einen Punkt erreicht, an dem es sich beruflich neu orientieren und einen eigenen Weg beschreiten will.
3. Der Fußabdruck von Vater oder Mutter wirkt „zu groß“ – oder der eigene hat einfach eine andere Form.
Ist der Vater oder die Mutter sehr erfolgreich, möglicherweise in der Branche recht bekannt oder gar berühmt, dann kann dies auf die Vertreter der nächsten Generation durchaus abschreckend oder zumindest einschüchternd wirken. Ich kenne Fälle, in denen Menschen auch nach Jahren im Beruf den Eindruck haben, stets im Schatten von Mutter oder Vater zu stehen, in denen sie sich selbst fortwährend mit ihnen vergleichen – und womöglich auch von Dritten diesen Vergleich regelmäßig hören. Spätestens dann ist es wichtig, künftig nicht primär Vater oder Mutter als Vorbild nachzueifern, sondern bewusst auch ein eigenes, unabhängiges Profil zu entwickeln. Dabei geht es dann weder um ein „Besser“ noch um ein „Schlechter“, sondern vielmehr darum, dass man eben keine junge Kopie der Eltern ist, sondern sich natürlich ein Stück weit von ihnen unterscheidet. Was auch gut so ist – ohne dass dies die Wertschätzung für sie schmälern muss.
Geht man nicht nur in denselben Beruf, sondern tritt sogar ins Familienunternehmen ein, dann geht man häufig ein Stück des Weges gemeinsam. Verstehen sich die Familienmitglieder gut, kann dies für alle Beteiligten eine sehr schöne, von Vertrauen und gegenseitiger Anerkennung geprägte Erfahrung sein. Und die erfahrenen Älteren und die kraftvollen, motivierten Jüngeren können gemeinsam oft mehr bewirken als eine Generation allein.
Was ist wichtig, damit diese Phase und die anschließende Staffelübergabe von einer Generation auf die nächste gelingt? Hier spielen meiner Erfahrung nach mindestens diese Punkte eine wichtige Rolle:
1. Freiwilligkeit: Die Zusammenarbeit in einem Betrieb und eine spätere Übernahme sollte für beide Seiten wirklich freiwillig sein, ohne jeglichen auch noch so gut gemeinten Druck. Dies kann man dadurch unterstreichen, dass man bewusst zunächst probeweise zusammenarbeitet, um danach gemeinsam zu entscheiden, ob man dies dauerhaft machen möchte.
2. Erwartungen ehrlich aussprechen: Beide Generationen sollten sich vorher zusammensetzen und offen besprechen, was sie voneinander erwarten und sich voneinander wünschen.
3. Gemeinsame Ziele: Wohin soll es mit dem Unternehmen gehen? Soll/darf es weiterentwickelt werden und wenn ja in welche Richtung? Auch darüber sollte man sich frühzeitig austauschen – und den Weg tatsächlich nur dann miteinander gehen, wenn man weiß, dass man hier grundsätzlich ähnliche Vorstellungen hat.
4. Ein eigener Bereich, der zu einem passt: Sowohl Mutter oder Vater als auch Sohn oder Tochter sollte im Familienunternehmen einen eigenen Zuständigkeitsbereich haben, und zwar einen, in dem sie oder er die jeweiligen Stärken, Fähigkeiten und Talente zur Geltung bringen kann.
5. Zusammenarbeit auf Augenhöhe: Man sollte einander mit (mindestens) genauso viel Wertschätzung begegnen, wie es hoffentlich Menschen machen, die aus freien Stücken zusammen ein Unternehmen gründen oder bei denen einer in eine Firma „einsteigt“, die schon existiert.
Fazit: Ob es richtig ist, beruflich in die Fußstapfen der Mutter oder des Vaters zu treten – und wenn ja wie – lässt sich nicht pauschal beantworten. Es kommt wie so häufig auf die beteiligten Menschen an. Entscheidet man sich dafür, dann ist meiner Einschätzung nach jedoch stets wichtig, dass man als Tochter bzw. Sohn trotzdem eine eigene berufliche Identität entwickelt, die zu einem persönlich passt. Dazu gehört, dass der eigene, der neue Anteil sichtbar und v.a. auch spürbar wird. In anderen Worten: Das eigene ist keine „Wiederholung“ des Berufslebens der Eltern, sondern eine eigene Ausprägung davon, man presst die eigenen Füße nicht in bestehende Fußstapfen – Verbiegen ist nie gesund -, sondern geht einen Weg, mit dem man sich selbst identifiziert.
Ich lade Sie ein, sich drei Impulsfragen hierzu zu stellen …
1. Klarheit über die eigenen Motive gewinnen: Warum habe ich mich (damals) dafür entschieden, in die Fußstapfen von Vater oder Mutter zu treten?
2. Eine eigene berufliche Identität entwickeln: Was macht mich als Schauspieler(in), Ärzt(in), Tischler(in), Lehrer(in) oder … aus?
3. Das eigene Potenzial nutzen: Was passt zu mir, meinen persönlichen Stärken, Talenten, Werten und Bedürfnissen? Und was folgt daraus für die nächste Etappe auf meinem beruflichen Weg?
Wie kann ich als Coach bei diesem Thema unterstützen?
Idealerweise überprüft man schon zu Beginn, ob es für einen persönlich richtig und sinnvoll ist, genau den oder auch einen ähnlichen Berufsweg wie Vater oder Mutter zu wählen oder später eben in das Familienunternehmen einzusteigen und den elterlichen Betrieb ggf. später sogar ganz zu übernehmen.
In der Praxis kommt ein Coach allerdings meist dann ins Spiel, wenn es irgendwo hakt, manchmal auch schon ein echter Leidensdruck da ist. Dann erarbeite ich im Coaching gemeinsam mit meiner Klientin oder meinem Klienten Lösungen, also stimmige Antworten auf die Frage, wie es gut weitergehen kann.
Konkret unterstütze ich u.a. dabei …
1. … die eigene Wahl zu überprüfen und zu schauen, was sich ändern lässt, damit’s – vereinfacht gesagt – wieder oder auch erstmals gut wird. Manchmal reichen schon vergleichsweise kleinere Veränderungen aus, damit es „passt“ und man doch (wieder) glücklich im Job ist. Eine Lösung kann dann sein, eine eigene Ausprägung des Berufs, ein persönliches Profil zu entwickeln. Um ein weiteres Bild zu verwenden: den Mantel der Eltern umschneidern, so dass er einem selbst wie angegossen passt, ihn also zu seinem eigenen zu machen … man bleibt dann in den Fußstapfen, gibt ihnen aber eine eigene Prägung.
2. … innere und ggf. auch äußere Konflikte konstruktiv zu lösen. Dies kann im Extremfall auch bedeuten, dass sich der Sohn / die Tochter an einem bestimmten Punkt im Leben doch dafür entscheidet, einen eigenen, neuen Weg zu gehen. Plakativ: Die Tochter der Schauspielerin beginnt ein Medizinstudium, der Sohn des berühmten Arztes folgt seinem künstlerischen Talent oder wird vielleicht auch Lehrer oder Tischler.
Im Coaching geht es dabei am Ende um das, worum es bei der Frage nach einer beruflichen Neuorientierung im Business Coaching auch bei vielen anderen Klientinnen und Klienten geht: Darum, den eigenen Kern zu erkennen und ihn von den äußeren Einflüssen zu trennen. Kennt man ihn, dann kann man für sich Klarheit über die entscheidende Frage gewinnen: Welcher berufliche Weg ab dem Punkt, an dem ich heute stehe, passt am besten zu mir, meinen Stärken und Talenten, meinen Werten, den eigenen Bedürfnissen und Wünschen? Und was kann ich konkret als nächstes tun, um dorthin zu gelangen?
Die Antworten versetzen einen in die Lage, das Steuer des eigenen (beruflichen) Lebens selbstbewusst in die Hand zu nehmen. Das zu ermöglichen, ist auf einer abstrakten Ebene das Ziel vieler beruflicher Coachings, bei denen sich Menschen ganz oder teilweise neu orientieren möchten. Auch bei denjenigen, die auf den ersten Blick nicht in die elterlichen Fußstapfen getreten sind, wird im Prozess ganz häufig erkennbar, dass die Jobs der Eltern und deren Erfahrungen im Berufsleben ihren eigenen beruflichen Weg ebenfalls mit geprägt haben, meist ist dies dann nur weniger offensichtlich. Manchmal untermauern solche Erfahrungen die eigenen Wünsche, z.B. ein positives Erleben von Selbständigkeit und Unternehmertum, in anderen Fällen schließen sie Optionen aus – etwa weil jemand in jungen Jahren erlebt hat, wie die Eltern um den Betrieb bangten und ihn am Ende verloren, oder weil jemand ein sehr schwieriges Verhältnis zu Vater oder Mutter hatte … und deren Beruf deswegen für sich ausschließt, um sich abzugrenzen. War der problematische Vater Lehrer oder die schwierige Mutter Anwältin, bedeutet es für die Tochter dann möglicherweise, dass sie sich nicht vorstellen kann, in einer Schule zu arbeiten oder Jura zu studieren … ganz einfach, weil diese Wahl subjektiv eine zu große Nähe bedeuten würde.
Übrigens, daran denkt man bei den Fußstapfen von Mutter und Vater vielleicht nicht als erstes, aber: Haben die eigenen Eltern einmal in ihrem Berufsleben erfolgreich eine Krise gemeistert, eine neue Abbiegung genommen, sich ein Stück weit oder ganz deutlich neu orientiert – dann erscheint diese Möglichkeit auch meinen Klientinnen und Klienten häufig viel näher und „machbarer“!
Zählen Sie zu den Menschen, die (ganz oder teilweise) beruflich in die Fußstapfen der Eltern getreten sind? Und stehen Sie deswegen vor einer Herausforderung, die Sie für sich lösen möchten? Oder möchten Sie aus anderen Gründen mehr Klarheit darüber gewinnen, wie die nächste Etappe auf Ihrem beruflichen Weg aussehen sollen?
Gern lade ich Sie zu einem kostenlosen Vorgespräch ein und finde mit Ihnen zusammen heraus, ob und auf welche Weise ich Sie als Coach und Sparringspartnerin dabei unterstützen kann!